Die Digitale Dunkelkammer

Als ich Ende der 1970iger Jahren mit dem Fotografieren begann, gab es drei Arten von Filmen: Schwarz-weiß-Negativ, Farbnegativ und Farbpositiv (Diafilm). Diese gab es in verschiedenen Formaten, z.B. Mittelformat (6x6cm) oder das am meisten verbreitete Kleinbildformat 24x36mm. Alle hatten gemeinsam, dass sie entwickelt werden mussten und entwickelte Negativfilme dann auf Papier ausbelichtet wurden um sie betrachten zu können. Lediglich Farbpositivfilme konnten nach der Entwicklung in einem Labor direkt oder über einen Diaprojektor betrachtet werden.

Diafilme bekam man exakt so zurück wie man fotografiert hatte: ev. unscharf, über- oder unterbelichtet, komische Farben bei Kunstlicht usw. Man hatte keine Möglichkeit etwas zu „korrigieren“. Man nennt das heute „authentische“ Bilder.

Bei Negativfilmen, insbesondere den Schwarz-Weiß-Filmen hatte man durchaus mehr Möglichkeiten. Das fing beim Entwickeln an, wo man einen 100 ISO Film so behandeln konnte, als ob er ein 400 ISO Film sein. Beim Ausbelichten konnten man noch mehr machen: Kontraste beinflussen, Bereiche gezielt belichten („Abwedeln“ nannte man das), besondere Effekte durch Auswahl bestimmter Papiere etc.

All das setzte entsprechendes Equipment voraus. Man brauchte eine Dunkelkammer mit diversen Geräten und Chemikalien. Während bei Schwarz-Weiß-Filmen der Aufwand und die Kosten noch überschaubar waren, wurde es bei Farbnegativfilmen schwierig. Vor allem die Chemikalien waren sehr teuer und nur sehr begrenzt haltbar. Bei Diafilmen war dies noch komplizierter oder gar nicht möglich. So beschränkten sich die meisten Amateure auf die Entwicklung von Schwarz-Weiß-Filmen. Aber auch hier benötigte man Know-How und Erfahrung, um gute Ergebnisse zu erzielen. Fehler im Prozess konnten nicht rückgängig gemacht werden und produzierten Abfall.

Um die Jahrtausendwende begann die Digitalfotografie sich durchzusetzen. Ähnlich wie beim Diafilm kamen die Bilder fertig aus der Kamera. Doch sehr bald produzierten die Topmodelle sogenannte RAW-Dateien. Die Bildinformationen waren genau so, wie sie der Sensor in der Kamera wahr-/aufgenommen hat. Vollkommen neutral.

Jetzt begann die Zeit der „digitalen Dunkelkammer„. Mit entsprechender Software konnte man diese RAW-Dateien „entwickeln“. Man konnte Über-/Unterbelichtung korrigieren, Kontraste ändern, Farben anpassen, Fehler retuschieren und vieles mehr.

Auch das erforderte Know-How und Erfahrung, ähnlich wie die Entwicklung und Bearbeitung von Negativfilmen. Der große Vorteil aber war, dass man experimentieren konnte. Man konnte mit Einstellungen in der Software spielen, Fehler rückgängig machen und die Kosten waren überschaubar. Klar, die Kameras waren teuer und die Software kostet meistens Geld, aber verglichen mit den Sumen, die man alleine für das Filmmaterial und die Entwicklung ausgab, war das jetzt kein Thema mehr.

Wurde die Arbeitsaufwand daurch weniger? Eher nein. Bei Diafilmen hat man die schlechten aussortiert, den Rest gerahmt (wenn sie nicht schon im Labor gerahmtwurden) und dann konnte man sie betrachten. Wegender niedrigen preise für die Speicherkarten, die in Digitalkameras verwendet werden, macht man ein Vielfaches mehr an Bilder als früher. Und die müssen dann aussortiert und entwickelt werden. Ein Vorgang der mehr Zeit in Anspruch nimmt als die „Bearbeitung“ von Dias.

Lohnt sich dieser Aufwand, oder kann man ihne minimieren? Er lohnt sich in jedem Fall, denn die Möglichkeiten sind zu vielfältig, aber man kann ihn minimieren, indem man die Kamera zusätzlich zu den RAW-Dateien JPG-Dateien erstellen lässt. So bearbeitet man dann nur die Dateien, die es wert sind oder es nötig haben. Leider sind die Out-Of-Camera (OOC) Bilder selten optimal. Oft sind sie überschärft, die Farben zu bunt, der Weißabgleich passt nicht etc. Man kann das in begrenztem Maße in der Kamera beeinflussen, bei mir aber war das Ergebnis, dass ich letztendlich nur noch RAWs mache und diese dann bearbeite. Mit Presets in der Software kann man das beschleunigen. Und ich versuche wieder bewusster zu fotografieren, das heisst, ich mach mir vorher Gedanken über das Bild anstatt 20 mal hinteinander auf den Auslöser zu drücken, nach dem Motto „irgendein Bild wird schon gut sein“.

Mit welchem Werkzeug ich in meiner digitalen Dunkelkammer arbeite ist Thema eines anderen Kapitels.

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